„Für wen hältst du mich?“ – Religiöses Buch des Monats August

„Für wen hältst du mich?“ Vor diese Frage sah sich Michael Broch gestellt, als er sich mit der Episode aus dem Markusevangelium beschäftigte, in der Jesus von seinen Jüngern wissen will, für wen ihn die Leute halten. Als Jesus seine Jünger dann fragt, wer er in ihren Augen ist, kommt es zu Petrus‘ Messias-Bekenntnis. Broch sah sich von der Frage herausgefordert und legt mit diesem Buch seine Antwort vor. Borromäusverein und Sankt Michaelsbund empfehlen es als Religiöses Buch des Monats August.

Brochs Antwort ist die Frucht jahrelanger Beschäftigung mit Jesus. Broch, Jahrgang 1943, ist Pfarrer in der Nähe von Stuttgart, Rundfunkpfarrer beim SWR und steht für das Wort zum Sonntag vor der Kamera. Davon profitiert auch das Buch, das in einer zugänglichen, bildreichen Sprache geschrieben ist. Broch meditiert die Evangelien und sucht sich dazu immer wieder Verständnishilfe in der wissenschaftlichen Erforschung dieser Texte.

In den Mittelpunkt seiner Überlegungen stellt er die Reich-Gottes-Botschaft und das Bild des liebenden, den Menschen zugewandten Gottes. Für dieses Gottesbild findet er im Lukas-Evangelium eine Stelle, die nur selten beachtet wird. Dort sagt Jesus: „Ich sah den Satan wie einen Blitz vom Himmel fallen“ (Lukas 10,18). Zur Zeit Jesu galt der Satan als Ankläger der Menschen bei Gott und nicht einfach als Verführer. Wenn Jesus seinen Jüngern also von einem himmlischen Rausschmiss berichtet, dann, so folgert Broch, könne das nur bedeuten, dass Gott keine Anklagen mehr gegen die Menschen hören wolle. „Gott will nicht mehr länger der Richter sein. Gott kommt seinem Volk nicht mit Feuer und Schwert entgegen, sondern mit offenen Armen“ wie im Gleichnis vom barmherzigen Vater (Lukas 15,11-32).

Jesus treibt das Bild vom liebenden Gott im Gleichnis von den Arbeitern im Weinberg auf die Spitze (Matthäus 20, 1-16). Darin bekommen bekanntlich die Tagelöhner, die den ganzen Tag für den Winzer geschuftet haben, den gleichen Lohn, wie derjenige, der nur eine Stunde arbeiten musste. Jesus wolle damit deutlich machen, kommentiert Broch, dass Gottes Gerechtigkeit unsere irdischen Maßstäbe sprengt. Gott gibt den Menschen nicht das, was sie sich in eigener Leistung erarbeitet haben, sondern das, „was sie unverdientermaßen brauchen: Güte, Nachsicht, Mitgefühl“.

Dieses Bild von Gott ist die Basis für Jesu Botschaft vom Reich Gottes. Und dieses Reich wird nicht in einer fernen Zukunft anbrechen, sondern ist schon da. So jedenfalls lautet die korrekte Übersetzung aus dem griechischen Urtext des Neuen Testaments. Jesus will den Menschen mit seinen Worten und Wundern auf diese schlichte Tatsache aufmerksam machen: Wenn wir uns so entgegenkommend, vertrauensvoll und großzügig, so verzeihend und selbstlos verhalten wie er, dann wächst und gedeiht das Reich Gottes. Und selbst da, wo das nur in Ansätzen gelingt, geht die berühmte Saat auf.

Wer sich mit der Verkündigung Jesu auseinandersetzt, wird auch auf Passagen stoßen, die sich als Anfrage an das lesen lassen, was heute in der Kirche üblich ist. Broch kommt dabei auf so bekannte Themen wie den Umgang mit den Geschieden-Wiederverheirateten oder den revolutionären Umgang Jesu mit Frauen, den er in der Kirche nicht wiederfinden kann. Er kommt aber auch zu überraschenden Einsichten was die Bedeutung von Allmacht oder Gnade angeht.

Mag sein, dass Brochs Sicht auf Jesus nicht jedermann zusagt. Man könnte ihm z.B. vorwerfen, dass er sich auf einen ganz bestimmten Blickwinkel beschränkt – nicht zu diesem Bild passende Jesusworte zum Beispiel (etwa Matthäus 10,32-33) werden doch recht schnell zurechterklärt – und andere Meinungen eher verkürzt darstellt. Doch Michael Broch schreibt in seinem Vorwort selbst, dass er hier sein ganz persönliches Jesus-Buch vorlegt, und er stellt auch fest: „Alle Methoden und Ansätze haben ihre Grenzen.“

Immerhin kann sich an den Punkten, an denen unterschiedliche Sichtweisen deutlich werden, etwas klären, vielleicht auch eine eingefahrene Überzeugung aufbrechen, wer weiß? Auf jeden Fall ist das Buch eine Einladung, sich erneut mit Jesus zu beschäftigen und sich selbst die Frage zu stellen: „Für wen hältst du mich?“ Christoph Holzapfel/Borromäusverein

Michael Broch: Jesus. Mit dem Herzen denken und glauben. Stuttgart, Bibelwerk 2013. – 152 S.; 14,95 €. Dieses Buch können Sie bei der borro medien gmbh kaufen.

(Als „Religiöses Buch des Monats“ benennen der Borromäusverein, Bonn, und der St. Michaelsbund, München, monatlich eine religiöse Literaturempfehlung, die inhaltlich-literarisch orientiert ist und auf den wachsenden Sinnhunger unserer Zeit antwortet.)

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